Auch aus dem Englischen verdeutschte er ein paar Gedichte, darunter den großmächtigen, rhetorisch überquellenden "Raben" von Poe, dessen verzwickte Strophenform mit ihren Dreierreimen und dem immer gleichen Schlußwort ein Prüfstein für jeden Versartisten sind. Auch hier als Kostprobe die Anfangsstrophen:  
  Einst in einer Mittnacht schaurig,
als ich hockte, trüb und traurig,
 
über manchem wirren Wälzer, von vergess'nem Weistum schwer,
und schon anfing einzunicken,
kam mit einemmal ein Ticken,
nein, ein Pochen, wie Picken,
sachte von der Türe her.
" 's ist wohl ein Besucher," brummt' ich, "was ich an der Türe hör',
ein Besucher und nicht mehr."

Oh, ich weiß es noch wie heute:
düster der Dezember dräute,
jedes Holzscheit sprühte sterbend seine Seele zu mir her.
Nach dem Morgen stand mein Sehnen,
denn kein Buch konnt' mich versöhnen
ach, mit dem Verlust der Schönen,
die ich einst geliebt so sehr;
Engeln heißt sie nun Lenore, sie, die einst so hold und hehr,
hier auf Erden keinem mehr.
    Mindestens 25 deutsche Nachdichtungen dieser pathetischen Ballade mit ihren 18 Strophen gab es bisher – trotzdem wagte er sich an die 26. Wird sie jemand mit den früheren verglei- chen?
  Schon 1973 war in einem jugendbewegten Verlag ein Liederheft herausgekommen, in dem er kaum bekannte Volks- und Pfadfinderlieder aus dem Französischen und Englischen sangbar übertragen hatte. Auch hier galt es mitunter formale Hürden zu überwinden, die schiere Artistik erforderten, etwa das in Frankreich recht bekannte "Krötenlied" ("Les Crapauds") mit seiner einförmig hämmernden Melodie:
 
  "Menschen, die uns meiden,
wir sind fern der Freuden,
euren Schlaf verleiden
singend wir bei Nacht.
Gott nur, der im Röhricht
uns erschuf aus Kehricht,
weiß, er hat uns töricht,
doch nicht bös gemacht.
Unsre grauen Bäuche,
die sich blähn wie Schläuche,
schwitzen aus der Weiche
einen eklen Schleim,
und das Kind, erschrocken,
dem am Weg wir hocken,
wirft von fern mit Brocken
und läuft bebend heim."
 
    Oder das zauberhaft anmutige Chanson "Le petit Royaume" des belgischen Liedermachers Julos Beaucarne, das 1966 auf dem Waldeck-Festival erklang und das bei uns längst bekannter sein müßte:  
  Wird die Weltgeschichte
endlich auch zunichte
in dem Strom der Zeit,
ist sie auch vergebens,
Pilgerfahrt des Lebens,
ach, wohin, wie weit –
diese kleine Grafschaft,
die keinen Graf hat,
ist ein Zuhaus.

Nicht, wer hinterhergeht,
komm, wenn der Wind dich herweht,
komm, ich hab noch Wein.
Regen tut kein Leid an,
zieh dein Entenkleid an,
lad auch Sophie ein
in die kleine Grafschaft,
die keinen Graf hat,
nach Haus." ...
 
    In den 60er Jahren fiel ihm ein französisches Taschenbuch in die Hände, nach dessen erster Seite er sofort wußte: Das werde ich übersetzen! Es war der Schul- und Pubertätsroman "Notre Prison est un Royaume" von Gilbert Cesbron, erschienen 1948, ein handlungs- und figurenreiches Werk um einen Schülerselbstmord, verquickt mit allerlei burlesken Pennäler- streichen; sicher spielt auch Autobiografisches hinein. In Frankreich ist das Buch noch bis heute im Handel, seit mehr als 50 Jahren. Schon die ersten Kapitel, die er hoffnungsfroh an deutsche Verlage schickte, stießen aber zu seinem Befremden auf keinerlei Gegenliebe. Warum nur?
Bei einem so liebenswerten und unvergeßlichen Werk? Nur langsam schälten sich die Ursachen heraus: Erstens war der Autor in Deutschland schon fast vergessen, ab '79 auch tot. Zweitens war das Thema nicht aktuell: die Handlung spielt um 1927 in Paris. Drittens aber, und das war das Wichtigste, war es keine Lektüre für Frauen. Frauengestalten und die Liebe spielen nur ganz am Rande hinein, fast alles handelt von Lehrern, Aufsehern und fünfzehnjährigen Gymnasias- ten.
  Was hat das aber mit der Qualität eines Kunstwerks zu tun? Er mußte lernen, daß außerlite- rarische Maßstäbe heute mehr ins Gewicht fallen als die eigentlich künstlerischen.
Dennoch, schon aus Trotz, brachte er die Arbeit mit Begeisterung zu Ende, erntete zwar etwa 30 Absagen seitens der anerkannten Verlage, bleibt aber weiterhin stolz auf die deutsche Fas- sung, die er diesen 250 Seiten sensibler, humorvoller und auch spannender Prosa gab. Hier eine beliebige Stelle: der Beginn des 2. Kapitels von elfen, der erste Schulmorgen nach den großen Ferien:
 
    Jeder der Jungen, die an diesem Morgen des 1. Oktober zum Gymnasium strebten, warf hurtige Mauseblicke nach links und nach rechts, denn er hoffte, in der Schülerflut, die mit ihm hineindrängte, einen seiner Klassenkameraden zu entdecken. Fand er endlich einen, so gab es weder Freudengeheul noch große Gebärden, sondern nur das Augenzwinkern zweier Verschworenen: 'Also, bis gleich!'
  Auf der Schwelle zum Pausenhof angekommen, sah er sich einen Augenblick suchend um, ein vom Licht geblendeter Stier, ehe er auf eins der Grüppchen 'alter Hasen' zuschoß, die sich von Minute zu Minute verdichteten. Da wurde schon lautstark vom Meer und den Bergen erzählt, da wurde schon kräftig geflunkert, und alle, die seit Monaten niemanden mehr mit 'Mensch oder 'Mann' angeredet hatten, holten es ausgiebig nach.
  8 Uhr 24. Die Neulinge mustern die grauen Gebäude mit einem Blick, der sie als Neue entlarvt, bitten verräterisch oft um Auskunft, versuchen sich anzubiedern oder kapseln sich, gegen die Eisenstangen des Gitters gewandt, von den übrigen ab. Einige mischen sich zaghaft unter die 'alten Hasen', geben sogar ihre Namen preis, aber die meisten halten doch Ausschau nach anderen Neulingen und knüpfen hastig Bekanntschaften an, um eine eigene Front zu bilden.
  8 Uhr 25. Nach und nach treffen auch die Studienräte ein und beglückwünschen einander zu ihrem Aussehen, das aber in Wirklichkeit schlecht ist. In ihrer Gruppe wird genau so oft 'mein Lieber' ausgetauscht wie unter den Schülern 'Mensch' oder 'Mann', und es sind auch sonst die gleichen Prahlereien: Fische, die sie geangelt, Berge, die sie bestiegen haben, oder Omlett und Milch, die sie kostenlos bei den Bauern bekamen. Nur belustigt man sich hier über Schularbeiten, die man noch nicht nachgesehen, und dort über solche, die man noch gar nicht gemacht hat.
  Um 8 Uhr 26 haben sich schon zwei Neulinge übergeben, und ein anderer hat sich das Knie aufgefallen. Für sie wird der erste Raum des Gymnasiums, den sie kennenlernen, das Sanitätszimmer sein.
  Um 8 Uhr 27 stehen ganze Schlangen vor den 'Örtchen', wo die Neulinge sich zitternd wieder anziehen und mit schmerzhafter Spannung auf das Glockenzeichen warten. Glockenzeichen oder Trommel? Eben, sie wissen es nicht! ...
 
    Er müßte nur in Frankreich mit Erfolg verfilmt werden, dieser Roman, und schon stünden alle Türen für ihn offen. So wie seinerzeit beim "Krieg der Knöpfe".
 
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