Jacques Prévert (1900 – 1977)
Lied von den Schnecken, die zum Begräbnis wollen
 
  Zum Begräbnis eines toten
Blattes ziehn zwei Schnecken los
haben schwarz das Schneckenhäuschen
um die Fühler Trauerflor
Abmarsch in der Abendstunde
wunderschöner Herbstesabend
aber ach als sie am Ziele
ist bereits der Frühling da
Alle Blätter die gestorben
sind zum Leben auferstanden
und die beiden armen Schnecken
die sind überaus enttäuscht
Aber sieh da ist die Sonne
Sonne ja und sagt zu ihnen
Kinder macht euch doch die Mühe
setzt euch erst mal etwas hin
und genehmigt euch ein Bierchen
wenn das Herz euch danach steht
Oder je nach Lust und Laune
nehmt den Bus mal nach Paris
heute abend geht noch einer
da beseht ihr euch die Gegend
doch die Trauer die legt ab
Laßt euch das von mir gesagt sein
davon werden trüb die Augen
häßlich macht es obendrein
Auch sind solche Sarggeschichten
gar nicht nett und machen traurig
lieber zeigt die alten Farben
zeigt des Lebens Farben her
Und schon fangen alle Tiere
fangen Bäume an und Pflanzen
fangen alle an zu singen
singen sie aus vollem Halse
das lebendigste der Lieder
singen sie des Sommers Lied
Um die Wette wird getrunken
angestoßen um die Wette
so ein wunderschöner Abend
und die beiden Schnecken machen
sich auf den Nachhauseweg
Ach sie ziehn in tiefer Rührung,
ziehen überselig ab
Da sie allerhand getrunken
schwanken sie ein ganz klein bißchen
aber oben an dem Himmel
gibt der Mond schon auf sie acht.
(1958)
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