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Alle Sketche, die in diesem Band versammelt stehen, stammen aus den Zeltlagern und Heim- abenden der
deutschen Jugendbewegung, wo sie, zumeist seit Jahrzehnten, immer wieder ge- spielt und in mündlicher Überlieferung
von Jahrgang zu Jahrgang weitervermittelt wurden. Wer sie einst erfunden hat, ist ungewiß - sie sind wohl ebenso als
"Volksgut" zu betrachten wie die Abzählverse, die Witze oder die klassischen Märchen und Volkslieder.
Alle lernte ich, in mehr oder minder gelungener Darbietung, in Jugendherbergen und Sommerlagern mit
Zehn- bis Vierzehnjährigen kennen, und da sie zu meinem Erstaunen offenbar nirgends in schriftlicher Form zu erhalten
waren, unterzog ich mich der durchweg vergnüglichen Mühe, sie niederzu- schreiben und in einer Reihenfolge anzuordnen,
die in etwa ihrem Schwierigkeitsgrad ent- spricht.
Es sind oft recht deftige Stückchen, die der Leser hier vorfinden wird, voll unbekümmerter Freude am Derben und Drastischen
und zum großen Teil in einer Zeit entstanden, wo die Jun- gen, für die sie gedacht waren, noch rauhbeiniger
und weniger zimperlich waren als heute. Einige schrecken vor "Mord und Totschlag" nicht zurück,
und wem das bedenklich erscheinen sollte, der mag die betreffenden Stückchen getrost überschlagen –
es bleiben noch immer ge- nügend unverfängliche übrig.
Obwohl sie, wie schon angedeutet, ursprünglich wohl eher für Jungen als für Mädchen erfun- den wurden,
lassen sich die meisten auch von Mädchen spielen, und wenn im Text von "Dar- stellern" die Rede ist, so sind damit
selbstverständlich auch "Darstellerinnen" gemeint.
In der Regel sollte man die Gruppen oder Klassen aber nicht mit diesen Spielvorlagen allein lassen.
Nur wenige Jugendliche im angesprochenen Alter haben soviel dramaturgisches Gespür oder Komödiantenblut,
daß sie solche Niederschriften ohne erwachsene Hilfe in eine ansehbare Aufführung umsetzen könnten.
Es ist also keine Bevormundung und kein autoritäres Gebaren, wenn man als erwachsener Betreuer
solche Sketche mit den Gruppen sorgsam einstudiert, die geeigneten Darsteller selber auswählt und behutsam
Regie führt, und man nehme sich ruhig ein paar Stunden Zeit dafür, am besten auf zwei bis
drei Tage verteilt. Es macht allen Beteiligten wachsende Freude, wenn sie erleben, wie solch ein Stückchen
allmählich Gestalt annimmt, wie es von Probe zu Probe lebendiger, farbiger, glaubhafter und abgerundeter wird,
wogegen es, von Kindern oft recht hilflos eingeübt, meist nur zu einer jämmerlich dürren und witzlosen Fassung gedeiht,
in der man die Vorlage kaum noch wiedererkennt.
Deshalb wurden alle Texte so gefaßt, daß dem Regisseur noch einiges zu tun bleibt. Mindestens sollte er
also versuchen, die typischsten Anfängerfehler zu bekämpfen, etwa wenn die Spieler ihrem Publikum den Rücken kehren,
sich gegenseitig verdecken oder nicht laut genug sprechen. Auch ein paar Regie-Einfälle möge er hinzuerfinden –
aber bitte nicht zu viele, sonst überwuchern sie den Handlungsfaden, und die Spannung des Stückchens erlahmt.
Einzelne Schlüsselsätze übe er so lange ein, bis sie wörtlich "sitzen"; sonst aber lasse er nie etwas
auswendig lernen – es würde den Darstellern von vorneherein die Freude am Spielen verderben. Schließlich sind
sie in den Ferien und wollen die Zwänge der Schule nicht durch die Hintertür des Theaterspielens wieder hereinkommen sehen.
Man lasse sie ihren Text also grundsätzlich improvisieren – bei ausreichender Probenzeit ist das nicht schwer und
macht sogar Spaß.
Die Aufführung der Stückchen sei dann einem "Lagerzirkus" oder "Bunten Abend" vorbehal- ten, wo sich die
einzelnen Gruppen, evtl. im Wettbewerb untereinander und mit Punktwertung im Rahmen der "Lagerolympiade", mit je einem
Sketch – oder auch zweien – und ebenso vie- len Liedern dem Publikum stellen. Und natürlich müssen die Betreuer
dafür sorgen, daß sich keine Überschneidungen ergeben – schließlich ist die Auswahl groß genug.
Wenn in den Texten von "Bühne" die Rede ist, so bedeutet das natürlich ganz allgemein "Spielfläche" und kann
eine Ecke im Tagesraum einer Jugendherberge ebenso meinen wie in einem Klassenzimmer oder einen Platz im Freien.
Die Zuschauer gruppiere man übrigens nicht in vielfachen Reihen hintereinander – sonst sehen die hinteren
nichts mehr – sondern begnüge sich mit höchstens vier Rängen, die sich aber dafür an der Längswand des Raumes entlangziehen
sollten, evtl. in leicht gekrümmter Linie. Nur wenn eine "richtige", d. h. erhöhte Bühne zur Verfügung steht, lasse man die
Sitze im Saal, wie sie sind.
Abzuraten ist von einer Aufführung am Lagerfeuer – das Knistern des Holzes würde die Worte der Darsteller
oft übertönen und der Rauch gelegentlich die Sicht behindern. Eher stecke man einige Pechfackeln, sozusagen als Abgrenzung,
zwischen den Zuschauern und der Spielfläche in den Boden – sie stören erheblich weniger.
Wichtig ist, für jedes Stückchen die ideale "Besetzung" unter den verfügbaren Mitspielern herauszufinden.
Immer wieder muß es bei den Proben heißen: "Na, wer traut sich denn zu, diese Rolle noch besser zu spielen?",
und nach mehrfachen Versuchen hat man dann die wirk- lich geeignetsten Darsteller gefunden.
Ich habe Kinder erlebt, die bis dahin in der Gruppe nichts als "graue Mäuse" waren, aber plötzlich, bei den ersten Proben,
ein so umwerfendes Schauspielertalent entfalteten, eine derart unverhoffte Improvisationsbegabung und szenische Phantasie,
daß sie jeden erwachsenen Darsteller glatt an die Wand gespielt hätten – komödiantische Naturtalente, die erst beim
Spie- len dieser Sketche erblühten und jenes Stück Selbstverwirklichung fanden, das anderen etwa im Sport, beim Singen,
beim Quizturnier oder beim Raufen zuteil wurde.
Man redet heute viel von "Kreativität" und "musischer Erziehung" – in der Jugendbewegung waren sie immer,
von Anbeginn an, ein wesentlicher Bestandteil des Gruppenlebens.
Die 43 Stückchen dieser Sammlung legen Zeugnis davon ab und wirken noch Jahr für Jahr weiter. Richtig genutzt,
sind sie ein Schatz, der über Jahre hinweg die Freizeit unserer Jungen und Mädchen bereichern und sinnvoller machen kann.
Allen, die es mal probieren wollen, wünsche ich soviel Vergnügen dabei, wie ich selbst es so viele unvergeßliche Male erlebte.
(Lothar Sauer)
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